Sonnenstunden am Rabenberg
Kreative Fassadensanierung: Vier Punkthäuser in Wolfsburg
Die vier Punkthäuser im Wolfsburger Stadtteil Rabenberg gehören zum Bestand der Volkswagen Immobilien Unternehmensgruppe, einer hundertprozentigen Tochter der Volkswagen AG. Sie sind Anfang der 60er Jahre für die Belegschaft des Autokonzerns gebaut worden, stehen aber dem Wohnungsmarkt heute ohne Einschränkungen zur Verfügung. Nach der kürzlich erfolgreich abgeschlossenen Fassadensanierung präsentieren sich die Gebäude besonders attraktiv. Maßgeblichen Anteil daran hat das kreative farbige Gestaltungskonzept.
Bei der Volkswagen Immobilien Unternehmensgruppe fällt die Bestandserhaltung in die Zuständigkeit der Immobilien Service GmbH, die sich seit dem Beginn des Jahrtausends die durchgängige Sanierung und Modernisierung der Wohnquartiere auf die Fahne geschrieben hat.
Zwar kann das Unternehmen auf eine gute Auslastung seines rund 10.000 Wohnungen umfassenden Bestandes verweisen, andererseits bleiben Rationalisierungsmaßnahmen in den industriellen Ballungsgebieten nicht ohne Folgen für die Nachfrage auf dem regionalen Wohnungsmarkt. Trotzdem ist Rückbau für das Wolfsburger Unternehmen kein Thema.
Gewagt und gewonnen
Die vier Achtgeschosser liegen landschaftlich reizvoll an exponierter Stelle am Rande der Stadt Wolfsburg und verfügen auch nach heutigen Maßstäben über eine komfortable Ausstattung. Die Wohnqualität der funktionell intakten Anlage mit je 32 Wohneinheiten wurde jedoch zunehmend durch die später hinzugefügte und mit den Jahren unansehnlich gewordene vorgehängte Fassade aus Faserzement beeinträchtigt, so dass es Handlungsbedarf gab.
Volkswagen Immobilien entschloss sich, bei der Fassadensanierung vom Standard abzuweichen und neue Wege zu beschreiten. In der Vergangenheit hatte das Unternehmen meist eigene Entwürfe zugrunde gelegt, diesmal setzte es auf die Kreativität des architektonischen Nachwuchses. Es kam mit der Fachhochschule Hannover überein, für das Punkthaus Rabenbergstraße 99 einen Fassadenwettbewerb auszuschreiben, der der Phantasie keine Grenzen setzte. Nur die Bausubstanz durfte nicht angetastet werden.
Das Ergebnis überraschte Auftraggeber und Auftragnehmer. „Der Wettbewerb brachte ein wahres Feuerwerk an Ideen. Mit einer solchen Vielfalt und Qualität hatten wir nicht gerechnet", resümiert Volkswagen-Immobilien-Geschäftsführer Roland Stöckigt, der das Projekt auf den Weg gebracht hatte. 20 Entwürfe gingen ein, aus denen die aus Vorstandsmitgliedern und Hochschullehrern gebildete Jury den Sieger ermittelte. Der Entwurf von Silke Baum, Studentin der Innenarchitektur, betreut von Prof. Suzanne Koechert und Prof. Anke Bertram, überzeugte die Juroren am meisten. Sie habe einen Ansatz gesucht, an die Besonderheit des Hauses anzuknüpfen, erläuterte sie, und deshalb mit der Kamera dem sich im Wechselspiel von Licht und Schatten vollziehenden Wandlungsprozessen der Bauteile nachgespürt. Ihr Entwurf rückt Exklusivität und Alltäglichkeit des Sonnenlaufs in den Vordergrund und bannt die Baumschatten des nahegelegenen Waldes auf die Fassade, so dass im Tagesverlauf reale und gemalte Schatten einander begegnen. Dabei schreckte sie nicht vor ungewohnten Dimensionen und kräftigen Farben zurück.
Elegante technische Lösung gefunden
Der künstlerisch anspruchsvolle grafische Entwurf verlangte eine adäquate und bezahlbare technische Lösung. Es ist bei Volkswagen Immobilien eine gesicherte Erfahrung: Wenn es um anspruchsvolle Aufgabenstellungen geht, bewährt sich die Partnerschaft mit den Farbspezialisten von Caparol. Im Ergebnis gemeinschaftlicher Beratung einigte man sich darauf, die figürlichen Darstellungen des Entwurfs auf eine Trägerfolie zu plotten, die Schablonen in Originalgröße auf die Fassade zu kleben und mit Farbe auszulegen. Die großflächigen Strukturen wurden eingemessen und auf übliche Weise beschichtet. Die Projektion des grafischen Entwurfs auf die mehr als 2000 Quadratmeter Fassadenfläche bereitete Ideengeberin Silke Baum am Computer vor. Im Vorfeld waren Farben und Materialien gründlich auf ihre Eignung getestet worden. Beispielsweise hatte Nachbar Wald nicht nur für saubere und frische Luft, sondern immer wieder auch für grüne Ablagerungen auf der Fassade gesorgt, so dass nur eine wasserabweisende, algizid und fungizid eingestellte Farbe in Frage kam. Solche Eigenschaften besitzt die Siliconharzfarbe ThermoSan, die Pilz- und Algenbefall vorbeugt und gut zu verarbeiten ist. Wo sie farblich im Rotbereich an ihre Grenzen stieß, empfahl sich die Fassadenfarbe Muresko, die sich gleichfalls durch Wetterbeständigkeit und Feuchteschutz auszeichnet. Überprüft werden musste auch das Haftvermögen der Folien, um der Gefahr unsauberer Konturen bei der figürlichen Darstellung zu entgehen. An den Nachbargebäuden angelegte Musterflächen boten Gelegenheit, die ausgewählten Produkte auf Herz und Nieren zu prüfen.
Volkswagen Immobilien nutzte die Gunst der Stunde, im Zuge der baulichen Maßnahmen, die Versorgungsleitungen komplett auszutauschen, die Aufzugsanlage zu erneuern und das Treppenhaus farblich neu zu gestalten, wobei die Farbgebung an die Fassadengestaltung anknüpft. Im Gebäude entstanden darüber hinaus zwei altengerechte Wohnungen. Angesichts der Dimension des Vorhabens und des engen Zeithorizontes entschied sich der Bauherr, den Auftrag dem renommierten Malerbetrieb Heinrich Schmid zu übertragen, der sich auch bei den Innenarbeiten für Produkte aus dem Hause Caparol entschied.
Weitere Chancen für Nachwuchs
„Mit diesem Projekt haben wir bei der Fassadengestaltung Neuland betreten", meinte Dipl.-Ing. Uwe Gabler. „Das ist nicht nur spannend, sondern beflügelt auch den Ehrgeiz." Ziel sei nicht die Lösung schlechthin, sondern die optimale wirtschaftlich vertretbare Lösung gewesen. Das Ergebnis überzeugt Vermieter wie Mieter. Die angehende Innenarchitektin Silke Baum erhielt durch den Wettbewerb schon während ihres Studiums Gelegenheit, eine gehörige Portion Berufserfahrung zu sammeln, und auch vom Farbhersteller war zu hören, dass ihm das Vorhaben Erkenntniszuwachs gebracht hat. Summa summarum: Das Vertrauen in die unverbrauchte Schöpferkraft der neuen Generation von Baufachleuten hat sich ausgezahlt.