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Von der Sehnsucht nach Blau

Farbvergnügen pur: Ultramarin, Azurit, Indigo, Mangan-, Coelin- und Kobaltblau

„Blau ist Mode. Wie vor 10 Jahren. Wie vor 100 Jahren. Blau ist die Farbe Nummer eins im Abendland.“1

Diese Zeilen wurden vor über 25 Jahren in einem Fachbuch zur Farbe Blau veröffentlicht und sie sind gültig bis heute. Ganz aktuell stehen 2015 Blautöne wieder hoch im Kurs. Blautöne sind Trend.

Woher kommt diese anhaltende und sogar ansteigende Sehnsucht nach Blau?

Auch diese Frage ist nicht neu und wurde schon von namhaften Autoren beantwortet: „Wie wir einen angenehmen Gegenstand, der vor uns flieht, gern verfolgen, so sehen wir das Blaue gern an, nicht weil es auf uns dringt sondern weil es uns nach sich zieht.“ – so Goethe in seiner berühmten Farbenlehre.2

„Wir Menschen lieben das Blau, weil es uns Raum bietet, um uns einzubringen. Manganblau mit seiner Transparenz und Unendlichkeit ist für mich persönlich die Farbe, die am meisten mit Sehnsucht verbunden ist.“ sagt Stefan Muntwyler und er weiß wovon er spricht.

Stefan Muntwyler

Stefan Muntwyler ist leidenschaftlicher Farbforscher. Sein Umfeld in der Schweiz würde ihn eher „den Pigmentler“ nennen, „dä mit de Pigment“, im englischen Sprachgebrauch wäre er der „Colorman“.

In seinem Farblabor experimentiert Muntwyler mit Malgründen, Bindemitteln, natürlichen und synthetischen Pigmenten und entwickelt Rezepturen, die das jeweilige Pigment am reinsten zum Leuchten bringen. Dabei interessiert er sich für die monochrome Wirkung der reinen ungemischten Farben. Diese malt er handwerklich akkurat auf Farbtafeln nach einer vorher genau definierten Konzeption.

Besonders studiert hat er das Ultramarinblau. Arbeiten mit natürlichem Ultramarin aus Lapislazuli und verschiedenen künstlichen Ultramarinpigmenten hat er letztes Jahr im Museum Wiesbaden ausgestellt.

Die Farbwerkstatt

Für seine spezielle Arbeit bringt der gelernte Volksschullehrer ideale Tugenden mit: Konzentration, Geduld und Ausdauer. Sein Farbatelier gleicht auch mehr einem Farbarchiv mit Experimentier-Labor. Hier ist alles ordentlich aufgereiht, beschriftet und griffbereit – von einem künstlerischen Chaos weit entfernt. Bei aller Disziplin hat der Farbforscher einen wachen Blick für das Zufällige entwickelt. So entstehen immer wieder kleine Schätze als Nebenprodukt der Farbtafelmalerei, wie z.B. Farblappen, die Tropfen auffangen sollen und dann selbst zum Gegenstand des Betrachters werden.

Beim achtsamen Malen der Farbtafeln entstehen auf den Untergründen neue Farbschätze.

Als Nebenprodukt entstehen aus Papieruntergründen Farbfensterbilder mit fantastischer Leuchtkraft (Manganblau, 70x100cm)

Beeindruckend ordentlich hat Stefan Muntwyler Fundstücke zum Thema Farbe aus aller Welt gesammelt und archiviert. Neben den in einer Farbenwerkstatt üblichen Farbtöpfen, Pinseln und Mörsern finden sich Schrankwände und Regale voll Rollschuber und Kartons mit Gesteins- und Materialmustern, Pigmentsammlungen, Arbeitsmitteln und archivierten Arbeiten.

Der Pigmentler

Stefan Muntwyler arbeitet viel in seiner Farbküche und nimmt sich gerne ausgiebig Zeit für sein Farbgeschäft. Er malt monochromatisch, das heißt nur mit einem reinen Farbton. Indem er das pure Pigment zum Gegenstand seiner Malerei macht verbindet er Wissenschaft und Kunst. „Derzeit gibt es keinen anderen Maler, der eine Farbe so intensiv darstellen kann“ behauptet sein ehemaliger Lehrer von der Kunstgewerbeschule Zürich. Dazu erklärt Stefan Muntwyler bei unserem Treffen in seinem Atelier im schweizerischen Windisch: „mein Vorteil sind mein Perfektionismus und mein Durchhaltevermögen.“ Für sein Buch „Farbpigmente Farbstoffe Farbgeschichten“ hat er weit über 1000 Tage mit reinem Farbaufstreichen verbracht. Und er wird nicht müde dies immer wieder zu tun.

Farbtafeln

Sind die monochromen Farbtafeln in zäher Ausdauer endlich fertiggestellt, erlaubt die strenge Konzeption das freie Kombinieren nach unterschiedlichen Kriterien. So können Farben isoliert betrachtet und damit in ihrer Farbkraft erfasst oder in Interaktion mit anderen Farbtafeln als Farbkomposition genossen werden. „Das gibt mir die pure Hühnerhaut“ verrät Stefan Muntwyler und empfiehlt die Kombination von natürlichem Ultramarinblau und Elfenbeinschwarz. In Deutschland spricht man von der „Gänsehaut“ und die bekommt man beim Anblick dieser umwerfenden Farbkonstellation wirklich.

Das Elfenbeinschwarz an sich ist schon unglaublich samtig, tief und geheimnisvoll in seiner Wirkung auf den Betrachter. Atemberaubend ist das Zusammenspiel der beiden starken Farbpigmente. Natürliches Ultramarinblau und grauer Schiefer wirken als Duo angenehm elegant und ruhig.

Das Buch: Farbpigmente Farbstoffe Farbgeschichten

Das 2010 erstmalig erschienene Kompendium beschreibt 320 Pigmente und Farbstoffe. Weiter erzählt es Farbgeschichten von den ersten Farben der Menschheit bis zur neuen Pigmentklasse des Ferrari-Rot. Wie man sich denken kann war das Werk schnell vergriffen und ist derzeit leider nicht mehr lieferbar. Aber es gibt Hoffnung für alle, die sich bis 2017 gedulden können. Dann soll das Buch in dritter Auflage, komplett überarbeitet und um „historische gelbe Farbmittel“ erweitert wieder erhältlich sein.

In hochwertiger Handwerksarbeit ergänzt die „Edition 40 Farbtafeln“ das Fachbuch, indem es die Farbgeschichten dokumentiert. Mit diesen Farbtafeln ist die unglaubliche Leuchtkraft der reinen, ungemischten Farben für den Betrachter direkt sinnlich erlebbar. Einem wahren Farbrausch gleicht es, wenn man die Farbblätter in Reihe legt und auf sich wirken lässt. Sehr aufschlussreich und anregend ist es zwei bis drei Farbtöne in Kombination zueinander zu betrachten. Mit diesen intensiven Farben mag man immer weiterkombinieren und nicht mehr aufhören - so schön ist es. Danke Stefan Muntwyler!

Weitere Informationen zu Stefan Muntwyler finden Sie auf: www.stefanmuntwyler-pigmente.ch
Neue Termine für die „Farbgeschichten“-Auftritte gibt es 2017.


Quellen

  • 1 – aus „Das blaue Buch“, Greno Verlag 1988
  • 2 – aus Goethes Farbenlehre