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Alltägliches in Grün

Über den bewussten Einsatz von Grün im Alltag

Wie wirkt Farbe?

Eine für uns spannende Frage, denn Farbe kann ihre Wirkung auf verschiedenen Ebenen entfalten: Farbe beeinflusst unsere räumliche Wahrnehmung – sie wirkt auf unseren Körper, unsere Seele. Oft hat sie für uns mehr oder weniger unbewusst symbolische Bedeutung.

„Grün“ ist die Farbe, die wir besonders mit Natur und dem Leben in Verbindung bringen. Sprachlich gesehen ist das Wort „Grün“ mit dem althochdeutschen Verb „gruoen“ verbunden. Es bedeutete „wachsen“, „sprießen“ oder „gedeihen“. Daher nicht verwunderlich, dass wir auch Wachstum, Regeneration und Natur mit Grün verbinden. So erholen und entspannen wir uns besonders gerne bei einem Spaziergang im grünen Wald.

Bewusster Einsatz von Grün

Ganz bewusst wurde Grün im Alltag zum Beispiel bei den heute immer weniger werdenden grünen Schultafeln eingesetzt. Die Nuance unserer klassischen Schultafel wurde sogar von Optikern festgelegt. Der Grünton hat sich für ermüdungsfreies Sehen bewährt und wurde daher zur Standardfarbe für die Tafel. Die Hintergründe: Bei einem Test mit 3500 Kindern im Alter von fünf bis acht Jahren hat der Leiter des Institutes für Farbenpsychologie im oberbayrischen Marquartstein, Heinrich Frieling, festgestellt, daß jedes dritte Kind schwarz ausgesprochen unsympathisch findet, weil "die Angst vor dem schwarzen Mann assoziiert wird" (Frieling). Frieling forderte in den Schulen nur noch grüne Wandtafeln zu verwenden, da diese Farbe die Kinder weniger schnell ermüden läßt. Frieling ermittelte, daß Schüler beim Abschreiben sogar weniger Fehler machen.

Eine ähnlich beruhigende Wirkung von Grün wurde bei Maschinenfarben eingesetzt. Mit dem besonderen Zweck der Unfallvermeidung wurde Resedagrün (RAL 6011) nach DIN 1844 ganz offiziell verwendet.

Und auch in Operationssälen macht man sich die beruhigende Wirkung von Grün zu Nutze. So fühlen sich viele Patienten durch die grüne und blaue Kleidung von Chirurgen weniger beunruhigt, als durch einen weißen „Kittel“. Doch hat die grüne und blaue Kleidung auch ganz praktische Gründe. Man kann direkt erkennen, ob es sich um einen Arzt oder Chirurgen handelt. Die Logistik der Wäschetrennung im Krankenhaus wird ebenfalls vereinfacht. Denn Operationsbekleidung muss gesondert gereinigt werden.

Vor allem aber braucht der Chirurg optimale Sehbedingungen. Einerseits würde ein weißes Abdecktuch das ohnehin helle Licht wesentlich stärker reflektieren, als ein grünes oder blaues Tuch. Und dies würde wiederum zu einer stärkeren Ermüdung der Augen des Chirurgen führen. Andererseits würde das eigentliche Operationsfeld zu dunkel erscheinen. Mit den farbigen Abdecktüchern hingegen lässt sich in etwa die selbe Leuchtdichte erreichen, wie die des Operationsfeldes (Blut und Gewebe). Spannend ist zudem: Die farbigen Abdecktücher sind vorwiegend blau, wenn parallel mit Bildschirmen gearbeitet wird und dunkelgrün, wenn es um optimale Sehbedingungen geht.

Zudem werden mit grünen oder blauen Laken sogenannte „Nachbilder“ vermieden. Diese können ebenfalls zu einer schnelleren Ermüdung führen.

Probieren Sie es selbst aus:

Schauen Sie zwei Minuten auf die Mitte des roten Kreises. Klicken Sie dann weiter ohne wegzublicken und halten Sie den Blick auf die weiße Fläche des Bildschirms gerichtet. Was sehen Sie?

Sie nehmen einen Kreis in der Gegenfarbe, einem Grünblau in abgeschwächter Form wahr. Das Auge liefert uns also einen Farbton, der gar nicht wirklich zu sehen ist. Warum ist das so? 

Bei längerem Betrachten des roten Kreises wird der Sehstoff der roten Rezeptoren kurzfristig verbraucht. Schauen Sie nun auf eine weiße Fläche, so ist der Sehstoff  der blauen und grünen Rezeptoren noch übrig: Die Mischung ergibt einen Grünblau-Ton. Wir erhalten also den „Sukzessiv-Farbkontrast“. Wären die Abdecktücher oder die Wand in einem Operationsaal weiß, würde der Chirurg beim Aufblicken ein blaugrünes Nachbild sehen. Das Auge müsste sich wieder adaptieren, was zum einen Zeit kostet und zum anderen die Konzentrationsfähigkeit mindert.