• #Fühlen
  • Mittel

Weiße Klänge.

Von farbigen Tönen und hörbaren Farben.

Die Farbe der Geister. Göttertöne. Weiß ist das Nichts, der leere Raum, gleichzeitig die Summe aller Farben.
Ein Widerspruch – Weiß macht Musik farbig.

Weißes Licht von weißen Sternen im dunklen All-Raum bringt Joseph Haydn dazu, die „Schöpfung“ zu schreiben. Der Wandel der Klänge symbolisiert den Wechsel von Finsternis zu Licht - diese ungeheure Kraft und Stärke ist in reinen, strahlenden Akkorden zu hören. Kühle, Distanz, Weite, Entfernung, oben die Wolken, himmlische Höhe, darin eintauchen wie Django Reinhardt in die „Nuages“, die Wolken.

Das unschuldige Weiß ist rein. Weiße Engel schützen uns vor bösen Geistern und dämonischen Wesen. Wenn der weiße Winter vorbei ist schummeln sich Schneeglöckchen durch die Kälte. Tschaikowsky nimmt ein schneeglockiges Gedicht von Maikow und verarbeitet es im „April“ seines Werks „Die Jahreszeiten“.

Konzentration auf das Wesentliche. Die Essenz, die Reduktion gibt anderen platzbedürfenden Gedanken Raum. White Noise. Weißes Rauschen, die Analogie zu weißem Licht. Eine Frequenz aus allen für das menschliche Ohr wahrnehmbaren Tonschichten (20 bis 20.000 Hz). Ein dichter Klangteppich, der jegliches ungeliebte Hintergrundgeräusch vollkommen verschluckt.

Kirschblüten in Weiß vor den nordischen weißen Nächten, in denen die Sonne nicht untergeht. Danach gleißende Sommer in augenblinzelnder Helligkeit, Sehnsucht nach Kühlung. Jede Kleidung ist zu warm, Erlösung bringen nur „Nights in White Satin“. Eine großartige Komposition von Justin Hayward, interpretiert von den „Moody Blues“.

Weiße Nächte sind es, die Ende Mai bis weit in den Juli hinein den nordischen Sommer prägen. Unendliche Tage, die die Nächte bis zu deren Unkenntlichkeit befallen, erst gegen Morgen ändert das befremdliche Nachtweiß seine Wirkung in sanft umhüllende Helle. Der „Mai“ in Tschaikowskys „Jahreszeiten“.

Rauschende Sommerparty, viel Alkohol, eine durchgemachte Nacht hinterlässt Spuren. Sommerbräune macht unwillig Platz für bleiche Gesichter. Das bleicheste Bleich. „A Whiter Shade of Pale”. Inspiriert von J. S. Bach komponieren Gary Brooker und Matthew Fisher diesen Welthit, Procol Harum bringen ihn 1967 heraus.

Leben ist Wandel, permanente Veränderung, verletzend und umsorgend, hart und weich, böse und gut. Zeig´ doch die weiße Flagge! Gib doch auf! Bishop Briggs tut das nicht, sie kämpft, wird nicht langsamer und geht durch Abgründe hinein in genau dieses Leben. „White Flag“ von Bishop Briggs.

Der Herbst mit seinen warmen Tönen, der tiefstehenden Sonne - er bildet eine Parallele zu dieser weißen Linie, die sich durch das Jahr zieht. Dieser kleine aufatmende Übergang zur Kälte bedeutet uns viel, kann aber auch den Winter nicht aufhalten. Auch die weißen Schwäne fliehen vor ihm. Der finnische Komponist Einojuhani Rautavaara bindet ihre Rufe eindrucksvoll in die Musik ein: "Cantus Arcticus".

Unbeschreibliche Angst, Kälte, fast Panik, sie lässt uns erstarren, das Blut fließt in anderen Sphären, aber nicht mehr in uns. Unsere Knöchel werden weiß vor Kälte. Geschehenes ist nicht rückgängig zu machen. Versuchen wir, es zu bewältigen. Der vorwärtsdrängende Rock-Song „White Knuckles“ von OK Go.

„Endlich ist das Hören der Farben so präzis, dass man vielleicht keinen Menschen findet, welcher den Eindruck von Grellgelb auf den Basstasten des Klaviers wiederzugeben suchen oder Krapplack dunkel als eine Sopranstimme bezeichnen würde.“ Wassily Kandinsky


Dipl.-Ing. Architektur (FH) Carmen Rubinacci

„Für mich ist Farbe Musik und Musik ist auch Farbe – beides untrennbar miteinander verbunden.“