Fassade fängt die Sonne ein
Bremer Wohnungsunternehmen schöpft eigenes Know-how aus
Die Energiewende hat viele Gesichter. Sie umfasst den verstärkten Einsatz erneuerbarer Energien ebenso wie die Verbesserung der Energieeffizienz im Wohnungsneubau und im Wohnungsbestand. Die Bremer GEWOBA Aktiengesellschaft Wohnen und Bauen nimmt sich dieser Herausforderung mit Konsequenz an und lässt es dabei nicht an innovativen Ideen fehlen. Jüngstes Beispiel dafür ist die Komplettsanierung eines neungeschossigen Hochhauses in der Eislebener Straße 75 in Bremen, das wegen der Durchgängigkeit und Schlüssigkeit der baulichen Sanierungsmaßnahmen Aufsehen erregt. „Wir als großes Wohnungsunternehmen müssen einfach den Mut für ein so umfangreiches Sanierungsprojekt aufbringen, um für künftige Anforderungen im Bestand wie im Neubau gewappnet zu sein", äußert dazu der Hauptabteilungsleiter Bestandstechnik/Immobilienbewertung der GEWOBA Lars Gomolka selbstbewusst.
Die GEWOBA, 1924 als gemeinnützige Wohnungsbaugemeinschaft der Freien Gewerkschaften gegründet, ist ihrem damals postulierten Ziel, kostengünstige Wohnungen für breite Schichten der Bevölkerung zu bauen, über die Jahrzehnte hinweg treu geblieben. Seit 1997 eine Aktiengesellschaft, an der die Stadt Anteilseigner ist, verfügt sie über einen Bestand von rund 42 000 Wohnungen, davon 32 000 in Bremen. „Das Herz der GEWOBA schlägt in der Vahr", zitiert Lars Gomolka ein früheres Vorstandsmitglied. In diesem Bremer Stadtteil bewirtschaftet sein Unternehmen 10 000 in Geschosswohnungsbau errichtete Wohneinheiten, die wie andere Großsiedlungen der GEWOBA in den 1950er bis 1970er Jahren entstanden sind. Für wichtig hält Gomolka die soziale Ausgeglichenheit in den Siedlungsgebieten, weil sie die Voraussetzung für deren Stabilität sei. Deshalb investiert das Wohnungsunternehmen dauerhaft in den Erhalt zeitgemäßer Wohnbedingungen an allen Standorten. 70 Prozent der Gebäude sind gedämmt, 55 Prozent der Bäder saniert. In diesem Jahr fließen 40 Mill. € in die Modernisierung und 40 Mill. € in die Instandhaltung. Orientiert wird sich weitgehend an den Bedürfnissen und Wünschen der Mieter. Denn nichts sei gefährlicher, als am Markt vorbei zu modernisieren. Diese Strategie zahlt sich aus. Die Fluktuation liegt mit 10 Prozent im Rahmen, der Leerstand ist mit unter einem Prozent unerheblich.
Sanierung als Pilotprojekt
Die GEWOBA saniert jährlich zwei Prozent des auf die Wohnfläche bezogenen Bestands energetisch und setzt in jüngster Zeit zunehmend auf Neubau. Um dabei in jeder Hinsicht auf dem aktuellsten Stand zu sein, leistete sie sich ein Pilotprojekt wie die Eislebener Str. 75 mit einem Kostenvolumen von mehr als drei Millionen Euro. Die vom Leitungsgremium des Unternehmens vorgegebene Aufgabenstellung lautete, ein Gebäude mit mehr als 2000 m2 Wohnfläche auf KfW 55-Niveau als Maßstab künftigen Bauens zu bringen. Die Wahl fiel auf die Eislebener 75. „Wir haben in dieses Vorhaben alles eingebracht, was unter dem Aspekt Modernisierung machbar war", resümiert Bauleiter Edmund Haßler, zugleich Energieberater, der den Neungeschosser mit seinen 36 Wohnungen in seiner ursprünglichen Form architektonisch und funktionell als durchaus gelungen bezeichnet. Gebaut wurde es aus Kalksandstein und Ziegeln. Die Außenwände erhielten eine vorgehängte Fassade aus Holzlattenkonstruktion, Mineralwolle und Faserzementschindeln.
Viele Fliegen auf einen Streich
Ausgangspunkt für das Modernisierungskonzept, das unter Mobilisierung eigenen Know-hows der GEWOBA entstand, waren zunächst die Forderungen, die an das Effizienzhaus KfW 55 gestellt werden. Sie betreffen unter anderem die Wärmedämmung, die Nutzung erneuerbarer Energien und die Wärmerückgewinnung. „Wir setzten aus vielen Ideen ein Puzzle zusammen, das am Ende sowohl der Aufgabenstellung als auch unserem eigenen Anspruch Rechnung trug", fasst Lars Gomolka den aufwändigen Schaffensprozess zusammen. „Die angestrebte erhebliche Reduzierung des Energiebedarfs pro Haushalt erforderte, bei der Sanierung über den üblichen Standard hinauszugehen", was nichts anderes hieß, als über die Wärmedämmung von Fassade, Dach und Kellergeschossdecken hinaus solargestützte Warmwasserbereitung, Photovoltaik und Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung in die strategischen Überlegungen einzubeziehen. Nach gründlicher Abwägung fiel die Entscheidung, Ost-, Süd- und Westfassade des Hochhauses mit Photovoltaikanlagen auszustatten. Damit bringt rund einen Fünftel der insgesamt 3500 m2 großen Fassade der Sonne jährlich rund 35 000 kWh Strom ab. Wenn es nach Plan geht, kommt hauptsächlich der Eislebener Str. 75 der Stromgewinn zugute, aber auch in das öffentliche Netz wird eingespeist.
Verarbeiter und Produkte erster Wahl
Bei der Ausschreibung der umfangreichen Leistungen setzte sich in den Gewerken Wärmedämmung/Malerarbeiten und Photovoltaik dank überzeugender Angebote mit der Hans-Georg Siebrecht Malereibetrieb GmbH aus Bremen bzw. Oldenburg ein Anbieter durch, der sich bei der GEWOBA längst einen Namen gemacht hatte. „Wir legten auf Objekt und Auftrag großen Wert", betont Prokurist Thomas Paulat, „weil hier der neueste Stand der Technik gefragt war und wir dabei eine Menge Erfahrungen sammeln konnten". Von Vorteil sei gewesen, dass die Fassadensanierung insgesamt in einer Hand gelegen habe, weil damit der Auftraggeber nur mit einem Partner zu tun hatte. Die Abstimmung untereinander lief so problemlos. In seinem Angebot hatte sich der Verarbeiter in Übereinstimmung mit dem Auftraggeber und nach Austausch mit den Herstellern für das mineralische Capatect–Wärmedämmverbundsystem und das vorgehängte hinterlüftete Photovoltaik-Fassaden-System von LITHODECOR entschieden. In diesem Zusammenhang zahlte sich die Kompetenz von Caparol-Planer und Objektberater Bernd Göttinger aus , der Fäden knüpfte und Detailfragen schlüssig und verständlich beantworte.
Viel Arbeit hinter den Kulissen
Bei der Umsetzung des Projektes galt es zunächst einmal, die alte Fassadenverkleidung zu demontieren, um Platz für die neue Gebäudehülle zu schaffen, erläutert Prokurist Jens Kaufmann von der Oldenburger Niederlassung der Firma Siebrecht. Im nächsten Schritt wurde der Untergrund auf Unebenheiten untersucht und auf einheitliches Niveau gebracht. Erwähnt werden muss in diesem Zusammenhang auch, dass zur Vermeidung von Wärmebrücken, die alten Balkone durch geräumigere Vorstellbalkone ersetzt wurden.
Nach gründlicher Vorarbeit erhielt das Haus zunächst virtuell ein neues Kleid. Bei der passgenauen Gestaltung der Fassade unter Einbeziehung der neuen Balkone erwies sich die 3D-Visualisierung des Caparol FarbDesignStudios als äußerst hilfreich. Der reale, plastische Eindruck vermittelte im Vorfeld ein leicht verständliches Bild der komplett veränderten Fassade. Das LITHODECOR-Photovotaik- Fassadensystem bietet viele Gestaltungsmöglichkeiten, die sich am Hochhaus Eislebener Str. 75 zeigen. Nach statischem Nachweis der Tragfähigkeit wurde die Unterkonstruktion mit Ankern am Mauerwerk befestigt. Die Montage der PV-Elemente erfolgte an den Fassaden- und Dachflächen, wo der meiste Ertrag zu erwarten war. Dazu zählten auch die oberen Balkone. Die schwarzen PV-Module mit einer Regelgröße von 1200 mm x 600 mm bestehen aus einem 9 mm starken Glasverbundaufbau, in dem sich eine hauchdünne Halbleiterschicht befindet. Ihre Nennleistung beträgt 112,5 Wp/m2, so Regionalmanager Nikos Philippou von LITHODECOR. Speziell für dieses Projekt sind skalierte Module hergestellt worden, die eine optimierte Belegung der Bestandsflächen ermöglichten, fügt Kai Brandau vom VHF-Produktmanagement hinzu. Eingefügte „Nadelstreifen" verbessern die Optik. Für die filigranen Klammern, die die Paneele an Fassade und Balkonbrüstungen kaum sichtbar mit der Unterkonstruktion verbinden, wurde das erforderliche Prüfzeugnis ausgestellt.
Eine Herausforderung sei vor allem die Arbeit hinter den Kulissen gewesen, war vom Verarbeiter zu hören, wo viele Kilometer Kabel zusammengeführt, Verbindungen hergestellt und die Elektronik installiert werden mussten. Überhaupt stellte die Koordinierung der mehr als ein Dutzend Gewerke auf der Baustelle hohe Anforderungen an das Management, wirft Bauleiter Haßler ein. Hohe Energieeffizienz, mehr Wohnqualität und altersgerechtes Wohnen waren unter einen Hut zu bringen. Mit der Begrünung einer Fläche von 45 m2 an der Nordfassade und der Flachdächer brachte die GEWOBA einen weiteren innovativen Aspekt ins Spiel. Die Mischung aus Farbe und Material hat das Erscheinungsbild des Bauwerkes grundlegend verändert. Entwickelt hat das Konzept der Bremer Farbdesigner Hans-Albrecht Schilling. Nach der Rundum-Erneuerung herrscht bei Beteiligten und „Betroffenen" Zufriedenheit. Die Mieter werden nur mit einem Drittel der möglichen Umlage belastet, der Erlös aus dem erzeugten Strom wird mit den Betriebskosten verrechnet. Das Pilotprojekt hat der GEWOBA einen beträchtlichen Zuwachs an Kompetenz für ihre künftigen Aufgaben gebracht. „Jetzt muss es sich an der Realität messen lassen", fasst Lars Gomolka zusammen.
Autor: Wolfram Strehlau
Bautafel
Objekt: Sanierung und Modernisierung eines neungeschossigen Hochhauses in Bremen, Eislebener Str. 75
Baujahr 1972
Auftraggeber: GEWOBA Aktiengesellschaft Wohnen und Bauen, 28195 Bremen, Rembertiring 237
Sanierungskonzept: GEWOBA Aktiengesellschaft Wohnen und Bauen, Bereich Technik
Auftragnehmer:
Wärmedämmung: Hans-Georg Siebrecht Malereibetrieb GmbH Malerarbeiten, 28197 Bremen, Senator-Börners-Str. 25
Vorgehängte Fassade/Photovoltaik: Hans-Georg Siebrecht Malereibetrieb GmbH, Niederlassung Oldenburg, 26135 Oldenburg, Gerhard-Stelling-Str. 50
Systeme:
Wärmedämmung: Capatect WDVS mit MW-Fassadendämmplatte 149, nicht brennbar, mit Mineralputz und Thermosan-Fassadenfarbe
PV-System: LITHODECOR Airtec Glassic – Photovoltaik als VHF-Fassadensystem (BiPV)