Viel Farbe für Elfgeschosser
Berlin-Marzahn: Ausgewogenes Verhältnis von Innen- und Außensanierung
Die Elfgeschosser in der Lea-Grundig-/Rudolf-Leonhard-Straße in Berlin-Marzahn stammen aus der ersten Hälfte der achtziger Jahre und wurden vom Wohnungsbaukombinat Berlin erstellt. Zu dessen wissenschaftlich-technischen Mitarbeitern gehörte über viele Jahre Bauingenieur Bernd Fohgrub, der heute an der Spitze einer Ingenieurgesellschaft steht und bei der Sanierung industriell errichteter Wohnquartiere über die Landesgrenzen hinaus gefragt ist. Die Fohgrub Ingenieurgesellschaft mbH erhielt auch den Auftrag zur Sanierung der Wohnblocks in Marzahn.
Eingeschränkter Spielraum
Obwohl es sich beim Typ WBS 70 in elfgeschossiger Ausführung um die am weitesten ausgereifte Wohnungsbauserie der DDR gehandelt habe, so Fohgrub, sei der Gestaltungsspielraum angesichts der Massenproduktion von Wohnungen in der DDR erheblich eingeschränkt gewesen. Zeit- und Kostendruck zwangen zum Verwenden von Standardelementen, wo die Planer lieber Vielfalt gesehen hätten, was in der Konsequenz zu Uniformität führte: „Die Technologie bestimmte den Städtebau." Schmuckelemente für die Waschbeton-Fassaden, wie sie auch in der Lea-Grundig-Straße zu finden sind, waren Zuteilungsware und konnten nur sparsam eingesetzt werden.
Gut 480 Wohnungen im Kiez gehören der Berliner Wohnungsgenossenschaft Fortuna, die vor drei Jahrzehnten als Arbeiterwohnungsbaugenossenschaft des Wohnungsbaukombinates gegründet wurde und in den Stadtbezirken Marzahn und Lichtenberg über einen Bestand von 4000 Wohnungen verfügt. Die Wohnquartiere harrten seit geraumer Zeit der Instandsetzung und Modernisierung, um auf dem Berliner Wohnungsmarkt bestehen zu können. Denn rundum gab es bereits ein umfangreiches Angebot an modernisierten Wohnungen. „Unsanierte Häuser kann man schlecht an den Mann bringen", meinte Bernd Fohgrub.
Wohnqualität besitzt Priorität
Auftraggeber und -nehmer waren sich darin einig, daß sowohl die Fassadengestaltung als auch der beschränkt vorhandene Wohnkomfort zur Disposition standen. „Unsere Philosophie war, den Kostenrahmen weitgehend zugunsten eines Zugewinns an Wohnqualität auszuschöpfen", erläuterte der Bauingenieur. Bei seiner Bestandsaufnahme war das Ingenieurbüro zunächst dem Leerstand auf den Grund gegangen. Es stellte sich heraus, daß vor allem der unzureichende technische und funktionale Zustand der sechs Meter langen und nur wenig über einen Meter tiefen Loggien mit gewölbten Brüstungsplatten und gelockerten Anschlüssen manchen Genossenschafter bewogen hatte, sich anderweitig nach einer Wohnung umzusehen. Hinzu kam, daß bei einem Teil der Wohnungen die Loggia nicht über das Wohnzimmer, sondern über Schlaf- oder Kinderzimmer zu erreichen war. Was zu DDR-Zeiten hingenommen wurde, stieß angesichts gewachsener Ansprüche auf Ablehnung. Diese Defizite führten zu der Entscheidung, die Loggien umzusetzen und mit mehr Komfort auszustatten.
Im Zuge der Sanierung verordneten die Ingenieure der dreischichtigen Außenwandplatte mit 14 Zentimeter Tragschale, sechs Zentimeter Wärmedämmung und sechs Zentimeter Wetterschale eine komplette Beton- und Fugensanierung. An besonders neuralgischen Stellen wie Keller, Drempel und Giebel empfahl sich das Aufbringen von Dämmung. Der Austausch von Fenstern und Heizsystemen erbrachte weitere energetische Gewinne, so daß sich unter dem Strich alle Maßnahmen zu einer Senkung des Wärmebedarfs um 25 bis 30 Prozent summierten.
Beton braucht Schutz
Die Instandsetzung und Sanierung der Fassade erforderte neben einem erfahrenen Verarbeiter ein hochwertiges Betonschutzsystem, das der Unterschiedlichkeit der Untergründe in Belastbarkeit und Farbkraft Rechnung trug. In der Ausschreibung erhielt der Berliner Malerei- und Fassadengestaltungsbetrieb Bulut den Zuschlag. Er hat sich seit mehr als einem Jahrzehnt mit solider Arbeit in der Branche einen guten Namen gemacht und bringt es im Jahr auf 100.000 bis 200.000 Quadratmeter sanierte Fassade. Bei der Sondierung des Marktangebotes nahm das Ingenieurbüro die guten Dienste von Caparol-Objektberater Michael Karst in Anspruch.
Nach gründlicher Beratung und mehreren Probeanstrichen fiel die Wahl auf die Betonfarbe Disbon 515. Auf Reinacrylat-Basis hergestellt, bietet sie nicht nur Schadstoffen Paroli, sondern ist auch in der Lage, feine Risse im Beton zu überbrücken. Karst verwies in diesem Zusammenhang darauf, daß der Waschbeton-Untergrund nach der Grundierung sowohl beim Vor- als auch beim Schlußanstrich reichlich Material erfordere, um die Kiesel rundum einzuhüllen.
Nach intensiver Reinigung wurden die Betonelemente überprüft und ausgebessert. Größte Aufmerksamkeit galt dem Aufarbeiten der Fugen. Eine gründliche Vorbereitung, so Fohgrub, sei Voraussetzung für die Wirksamkeit und Attraktivität des Betonschutzsystems. Wo notwendig, wurden weitere Flächen in die Wärmedämmung einbezogen. Dafür stand das bewährte mineralische Capatect Wärmedämm-Verbundsystem zur Verfügung. Unterstützung erhielt der Verarbeiter von der Caparol-Anwendungstechnik, die sich vor Ort mit den speziellen Bedingungen vertraut machte und während der Sanierung beratend zur Seite stand.
Balkone in neuer Form und Farbe
In gestalterischer Hinsicht war es wichtigstes Anliegen, das kompakte Erscheinungsbild des Gebäudezuges durch Farb- und Formgebung in einzelne wiedererkennbare Häuser aufzulösen. Der Farbentwurf entstand in Kooperation von Ingenieurbüro und Caparol-Farbdesignerin Gabriele Gerlach. „Wir wollten zugleich mit Farbe Wärme in die Landschaft bringen", unterstrich Dipl.-Ing. (FH) Gisela Fohgrub. Man habe sich von unterschiedlichen Ausgangspunkten angenähert und am Ende mit der Beschränkung auf vier Farben den gemeinsamen Nenner gefunden. In den Farbentwurf wurden die vorhandenen keramischen Schmuckelemente integriert.
Schwung in die Gebäudefront brachte die Neugestaltung der ursprünglich aneinandergereihten, turmartig aufgebauten Balkone, die zunächst entfernt und anschließend in funktionell wie gestalterisch ansprechenderer Form an die Wohnräume angesetzt wurden. Die Türen blieben als französische Fenster erhalten. Um mehr Licht in die zurückliegenden, von Balkonen flankierten Loggien zu bringen, wurden die Betonelemente abgesenkt und die Brüstungen in Opalglas ausgeführt. Mit der übersichtlichen Anordnung und schwungvollen Formgebung der Balkone gelang es, die Häuserfront übersichtlich zu gliedern. Die Farbgebung, die auf helle warme Töne setzt, unterstützt die Neugliederung des Gebäudes.
Man habe mehr Zeit und Kraft für das Gestaltungskonzept aufgewendet als bei einem Neubau, resümierte Bernd Fohgrub. Der Mut zum Risiko und die innovativen Lösungen seien von den Mietern mit Zustimmung aufgenommen und honoriert worden. Das gelte auch für die Sanierungsmaßnahmen im Gebäudeinneren, die sich vom Eingangsbereich über die Aufzüge bis hin zu Grundrißveränderungen in den Wohnungen erstrecken. Das ausgewogene Verhältnis von Baumaßnahmen vor und hinter der Eingangstür sei der Schlüssel für die strikte Einhaltung des Kostenrahmens gewesen.