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The White House

Weiße Häuser: elegant – imposant – pflegeleicht?

Weiße Fassaden sehen wir überall, sie wirken ganz selbstverständlich in unserer gebauten Umwelt. Wir machen uns daher wenig Gedanken um sie. Weiße, frisch gestrichene Gebäude erscheinen gepflegt und sauber. Wenn wir weiß streichen, dann haben wir das Gefühl, eine vernünftige Entscheidung getroffen zu haben. An Weiß stört sich niemand – keiner sagt „Wie kann man nur…“. Weiß wird daher angstfrei und unbekümmert eingesetzt und gilt als Garant für eine sichere Farbwahl. Aber stimmt das auch?

Um diese Frage zu beantworten, lohnt ein Blick auf weiß gestrichene Architektur. Bei historischen Bauten mit Zierelementen unterstreicht Weiß besonders die Plastizität. Denn bei der hellsten aller Farben sind Licht- und Schatteneffekte enorm wirkungsvoll. Weiß verleiht Gebäuden durch seine Strahlkraft zudem Größe und Würde. Deshalb wird diese Farbe häufig für prestigeträchtige Bauten und Machtzentralen verwendet. Bekanntes Beispiel ist das Weiße Haus in Washington, aber auch viele Rathäuser, Theater, Museen sowie Kirchen strahlen in Weiß und demonstrieren dadurch Kraft und Einfluss. Zugleich entsteht ein eleganter, hochwertiger Eindruck. Diese Eigenschaften sollen ebenfalls bei Villen und modernen Wohnbauten mit einem weißen Anstrich vermittelt werden. Doch noch ein weiterer Aspekt spielt eine Rolle – neben der edlen Optik wird Weiß parallel als „Nicht-Farbe“ zum Ausdruck von Understatement.

Der Grat von feiner, schicker zu schlichter, banaler Wirkung ist jedoch schmal. Insbesondere verschmutzte oder veralgte weiße Häuser verlieren ihre positive Ausstrahlung. Das gilt zwar allgemein für alle ungepflegten Fassadenanstriche, aber am stärksten eben für weiße Gebäude. Ist Weiß also immer die beste Wahl? Wir meinen, Weiß ist häufig eine gute Option, aber eben nicht immer. Der Griff zum weißen Farbeimer sollte gut überlegt sein und nicht aus Angst vor einer falschen Farbwahl erfolgen. Zu beachten ist die besondere Empfindlichkeit der Fassade – hier kommt es entscheidend auf das Produkt an.

Zu den Fassadenfarben

„Ich seh‘ den Wald vor lauter Bäumen nicht“…nehme ich doch einfach Weiß.

Weiß ist elegant und hochwertig.

Mit Weiß kann die Kubatur eines Gebäudes durch Licht- und Schatteneffekte besonders unterstrichen werden. Dies gilt auch für historische Gebäude mit üppigem Zierwerk. Sie wirken gerade durch die farbliche Reduktion anziehend und edel. Auch feine Strukturen sowie markante Bauformen brauchen keinen zusätzlichen Anstrich. Die subtile, feine Wirkung kommt mit Weiß außerordentlich gut zur Geltung.

Weiß sieht sauber und makellos aus.

Weiße Fassaden erinnern uns an schneebedeckte Berge, ungetrübte Tage, reine und klare Luft. Sie wirken ruhig und ausgeglichen. Gleichzeitig lauert die Gefahr einer übergroßen Ruhe, einer Monotonie.

In der Vergangenheit wurden Kalkschlämmen verwendet, um die desinfizierende Wirkung dieses Materials zu nutzen und gleichzeitig die Sauberkeit einer Fassade zu unterstreichen.

Weiß: Farbe der Macht oder Understatement?

Weiße Gebäude wirken durch ihre Strahlkraft imposant. Sie treten optisch in den Vordergrund, weil die natürliche Umgebung dunkler erscheint. Die dominante Rolle kann sich bewusst in der Gebäudefunktion widerspiegeln und den repräsentativen Charakter dadurch unterstreichen. Die Wirkung ist besonders effektiv, wenn ein Haus wie aus einem Guß erscheint, d.h. alle Bauteile einheitlich weiß gestrichen werden. Eine starke Aussage, die im übertragenen Sinn Kraft ausdrückt und eine Haltung verkörpert. Weiß kann auch als „Nicht-Farbe“ verwendet werden – Farbverzicht für Freunde des Purismus und als Zeichen des Understatements.

Weiß für große Wohnensembles.

Große Wohnanlagen in Weiß wollen sich nicht verstecken. Die konsequente, selbstbewusste Weißfärbung wirkt verbindend und prägend. Sie schafft Identität. Das Märkische Viertel in Berlin veranschaulicht diese Wirkung. Das Wohnensemble erscheint wie eine weiße, skulpturale Berglandschaft. Geplant als weiße Stadt wird sie auch heute noch so genannt: Die „weiße Stadt“.

Weiß als Akzent.

Weiße Akzentuierungen treten optisch in den Vordergrund. Daher ist Weiß eine gute Wahl, um vorstehende oder plastische Bauelemente zu betonen. Mit weißen Akzenten lassen sich dezente bis starke Hell-Dunkel-Kontraste erzeugen, je nach Grundton der Fassade. So verleihen sie einem Gebäude Ausdruck und Charakter. Aber Achtung: Es gilt, die Weißnuance mit Bedacht auszuwählen. Ein knalliges, sehr strahlendes Weiß kann auch künstlich oder süßlich wirken. Um kitschigen Zuckerbäckerstil zu vermeiden, empfehlen sich „gebrochene“, materialtypische Weißnuancen. Reinweiße Zierelemente auf bunter Fassade wirken billig und grell.

Abgehobenes Weiß: himmlisch, sphärisch, verträumt.

Weiße Architektur sieht leicht aus – tragende Funktionen stehen nicht im Vordergrund. Die Statik ist fast unsichtbar, wodurch ein sphärischer, unwirklicher Charakter entsteht, wie wir es von Kirchen und Tempeln kennen. Weiß sind die Wolken des Himmels. Sie sind nicht greifbar, flüchtig und beflügeln unsere Phantasie. Auch sind sie Wohnort der Engel, die stets mit weißen Flügeln dargestellt werden. Naheliegend, dass Engelsfiguren auch in Stuckelementen an der Fassade weiß gefasst werden. Religiöse Bauten sind weltweit oft in weiß gehalten, sie spiegeln göttliches Licht, Erlösung und Unschuld.

Weiß in anderen Kulturkreisen

Klimatische Gründe sprechen in vielen Kulturkreisen für weiße Fassaden: weiße Strandhäuser in den USA, lichte Innenhöfe in nordafrikanischen Ländern, Fischerhütten in Südafrika, etc.. In Dörfern rücken Häuser eng zusammen, um sich gegenseitig Schatten und Kühle zu spenden – gleichzeitig weiten die sehr hellen Gebäude optisch die entstandene Verdichtung. Kein Haus tanzt aus der Reihe, keines stellt sich zur Schau.

Fazit:

"Weiß ist der rote Faden der Architektur fast aller Kulturkreise."


Dipl.-Des. Martina Lehmann

Kleine, weiße Häuser im Grünen sind wie eine Quelle in der Oase.

Dipl.-Ing. Architektur (FH) Carmen Rubinacci

Der Gegensatz ist für mich das Reizvolle – ein Spagat zwischen Eleganz und Belanglosigkeit.