Laserkunst für einen Abrisskandidaten
Bergkamen hat ein großartiges Schauspiel gesehen – eine Laserperformance präsentierte das zerfallende City-Hochhaus vor dem erlösenden Abriss nochmals in bestem Licht. Zuvor musste der 15-Stöcker schwarz gestrichen werden.
Bauruinen sind so lästig wie zäh. Meist halten sie sich, langsam zerfallend, über Jahre, trotzen hartnäckig Sanierungsideen wie Abrissdiskussionen. So war das auch in Bergkamen, das 1966 zur Stadt erhoben wurde und dies auch gleich mit einer neuen City feierte. 1974 stellt man die neue Stadtmitte fertig, darunter auch das City-Hochhaus, auch als Wohnturm bezeichnet. Mit 63 Metern war es von da an das höchste Gebäude in Bergkamen, spektakulär auf einem schlanken Sockel ruhend. Doch im Laufe der Zeit wurde aus dem Aufbruchsignal ein sozialer Brennpunkt, der schließlich im Jahre 2000 dazu führte, dass die Stadt den Wohnturm samt seiner 150 Wohnungen für unbewohnbar erklärte. Mehrere Ansätze zur Sanierung durch den privaten Eigentümer scheiterten, der Zerfall ging an die Substanz, ein Abriss erschien immer unausweichlicher. Nach über 13 Jahren des Leerstandes sollen nun die Bagger anrücken, um Etage für Etage abzutragen. Zuvor aber wurde der Turm Hauptdarsteller einer Abschiedszeremonie, an der Laser und ein Hörstück beteiligt waren – die Choreographie im Rahmen von „Urban Lights Ruhr" entwickelte die Künstlergruppe osa. Prof. Oliver Langbein und der Architekt Karsten Huneck planten zusammen mit dem Künstler Christoph Rodatz eine spektakuläre Architekturperformance. An zwei Wochenend-Nächten im Oktober ließ der Laser das Gebäude nochmals aufscheinen, projizierte die Fassade, die Geschossdecken, die interne Erschließung, um dann den Turm langsam in der Nacht verschwinden zu lassen, also den Abriss vorwegzunehmen.
Das Konzept „discharge/recharge" verlieh dem Turm zwei Gesichter: „discharge" bezeichnet die beiden unveränderten braunen Fassaden mit all ihren Verfallsspuren, während „recharge" für die zwei anderen, schwarz gestrichenen Projektionsflächen steht. Das Schwarz entmaterialisierte das Hochhaus in der Nacht und verstärkte die visuelle Kraft der grafischen Laserprojektion. Über Eck betrachtet, bildete der Laser die innere Struktur des Gebäudes wie ein riesiges, linienbasierendes Digitalmodell ab. Parallel dazu erzählte ein Hörspiel unterschiedlichste Geschichten aus der Vergangenheit des Turmes, optimistische von einst und eher deprimierende aus der Zeit vor dem Leerstand – ein multimediales, an die Identität der Stadt appelierendes Ereignis also.
Für die Beschichtung sorgten Industriekletterer und Caparol. Gerade die Materialfrage stellte sich als nicht ganz einfach heraus, schließlich sollten die beiden Fassaden samt Fenster-, Vor- und Rücksprüngen in tiefem, matten Schwarz erscheinen, also auf verschiedenen Untergründen haften und mindestens ein halbes Jahr der Witterung trotzen. Zugleich verlangte der Farbton RAL 9004 Signalschwarz eine ausreichende Tönbarkeit des möglichst preisgünstigen Materials voraus. Schließlich wählte man zusammen mit Caparol-Fachberater Thomas Dresemann die ProfiGrundierfarbe aus, die zwar nicht als Deckbeschichtung gedacht ist, aber für den begrenzten Zeitraum ausreichende Haltbarkeit versprach.
Die ProfiGrundierfarbe hielt locker ihr Versprechen, ließ den Turm bei Tag als rätselhaften Monolithen erscheinen und am Ende der Laserperformance kurzerhand in der Nacht verschwinden. Mehrere tausend Menschen ließen sich das Ereignis nicht entgehen und nahmen so Abschied von „ihrem" ungeliebten Turm.
Autor: Armin Scharf
Fotos: Johannes Marburg Photography
Bautafel
Objekt: Wohnturm, Bergkamen
Standort: Zentrumstraße 110, Bergkamen
Eigentümer: CharterHaus Real Estate GmbH, Frankfurt
Auftraggeber: Urbane Künste Ruhr / Kultur Ruhr GmbH, Gelsenkirchen
Konzeption, Entwurf, Realisierung: osa office for subversive architecture: Prof. Oliver Langbein, Dortmund und Karsten Huneck, Berlin/London mit Dr. Christoph Rodatz, Dortmund
Verarbeiter: Ropemen GmbH & Co. KG, Reichshof Drespe
Caparol-Produkte: ProfiGrundierfarbe