Das Tor nach Süden
Florian Stoetzler entwarf für die Meersburger Brücke in Ravensburg eine auffällige Fassadengestaltung
Der freie Grafiker sowie gelernte Maler- und Lackierermeister Florian Stoetzler entwarf für die Meersburger Brücke in Ravensburg eine auffällige Fassadengestaltung. Das künstlerische Motiv verbindet visuell das neue Viertel Bahnstadt mit der Südstadt und greift farblich seine Umgebung auf.
Wie wertet man einen unansehnlichen Stadtteil auf? Die Stadt Ravensburg hat mit dem Sanierungsprojekt des Bahnhofsviertels gezeigt, wie es gehen kann. Das Viertel Bahnstadt ist heute ein wachsender Standort: In den letzten Jahren wurden dort attraktive Bauten wie Verwaltungsgebäude, ein modernes Parkhaus, Einkaufscenter und eine Neubebauung des ehemaligen Schlachthofareals umgesetzt. Die gute Erschließung und die Nähe zur Altstadt machen die Bahnstadt heute begehrt für gewerbliche Neuansiedlungen und Besucher.
Auch an ein interessant gestaltetes Umfeld wurde gedacht. Der sanierte Bahnhof mit überdachten Bahnsteigen, Unterführung und Aufzügen sowie die Aufwertung der umliegenden Straßen mit Bäumen und einladenden Geh- und Radwegen haben ebenfalls dazu beigetragen, dass die Bahnstadt ein interessanter Standort geworden ist.
Portal und Zubringer
Zu diesem spannenden Umfeld gehört durch ihre farbige Gestaltung auch die 1997 erbaute Meersburger Brücke, die den Schienenverkehr zwischen Ravensburg und Friedrichshafen/Bodensee überquert. Die dreispurige Straßenverkehrsbrücke mit einer Spannweite von 54 Meter und einer Höhe von 7,20 Meter führt vom Stadtzentrum Richtung Meersburg in die Weststadt. Farblich gestaltet wurden davon bisher das Widerlager Ost (der Widerlager ist ein massives Bauteil an den Enden eines Brückenbogens, der die horizontale Last trägt) und die östlichen Stützpfeiler mit insgesamt rund 180 Quadratmeter. Schon 1998, als weder benachbarte Geschäfte, das nahegelegene Parkhaus, noch eine asphaltierte Straße existierten, gab die Stadt Ravensburg ein legales Graffiti zum Schutz gegen Schmierereien in Auftrag. Seit 2002 mit der Erbauung der Straße „Bahnhofsplatz" parallel zu den Bahngleisen eine befahrbare Verbindung zwischen Unterstadt (Bahnhofsplatz) und Südstadt (Pfannenstiel) geschaffen wurde, ist die Meersburger Brücke auch unterhalb ihres Überbaus ein stark frequentierter Ort.
Inzwischen ist die Meersburger Brücke das Portal zwischen dem Stadtkern und der Südstadt und wird auch „Tor gen Süden" genannt. Da dieser Aspekt mit der Sanierung des Bahnhofsviertels an Bedeutung gewann, sollte das Hin- und Wegführen zu und von der Stadt visuell dargestellt werden, die Farben der Umgebung sollten aufgenommen werden. Daher wurden das Widerlager Ost und die beiden östlichen Stützpfeiler grafisch überarbeitet. Beauftragt wurde der Künstler Florian Stoetzler (31), der sich seit mehr als 15 Jahren intensiv mit Gestaltung beschäftigt - insbesondere der des öffentlichen Raums. Er bezeichnet sich selbst als konstruktiven Gestalter in Bezug auf den Großteil seiner Arbeit. Diese beruht auf technisch-mathematischer Analyse und kommt in formaler und inhaltlicher Konstruktion sowohl im zwei- als auch im dreidimensionalen Raum zum Ausdruck. Neben Grafik- und Produktdesign liegt der Schwerpunkt von Florian Stoetzlers Schaffen im Bereich der großformatigen, auf der Verschmelzung von freier Grafik und Architektur basierenden Wandgestaltung.
Auch auf der Meisterschule 2006 befasste Florian Stoetzler sich mit der Meersburger Brücke. Er erklärte den Innenraum des Widerlagers Ost als Galerieraum und entwickelte dafür ein modernes Gestaltungskonzept. Sein Meisterstück wurde von der Handwerkskammer Ulm 2007 mit der Note „sehr gut" bewertet und vom Regierungspräsidium Baden-Württemberg mit der Einladung nach Karlsruhe zur Präsentation der „Meister in Form und Farbe" honoriert. Florian Stoetzler selbst sagt über seine Arbeiten: „Um immer höhere Maßstäbe zu setzen, zeichnet sich mein Schaffen durch ständiges Streben nach Perfektion aus."
Das wird besonders an dem ausgeführten Motiv der Brücke deutlich, vor allem wenn man auf die Details achtet. Von der Qualität und Einzigartigkeit von Florian Stoetzlers Schaffen beeindruckt, entwickelte Florian Vögtle (30), Geschäftsführer der BfG Media Group mit langjähriger Erfahrung im Bereich Kommunikation und Werbung, ein ausgeklügeltes Geschäftsmodell mit dem er seinen einstigen Studienkollegen für eine Zusammenarbeit begeistern konnte. Sie schufen sie unter dem Dach der BfG Media Group eine Sparte für kundenorientierte Raum- und Fassadengestaltung. Diese zeichnet sich durch die interdisziplinäre und medienübergreifende Vernetzung von Technologie, Marketing und Corporate Design aus.
Arbeitsschritte
Begonnen wurde im Sommer 2003 mit der Gestaltung der 145 Quadratmeter (Frontmaße: ca. 16,40 x sechs Meter) großen Gesamtfläche des Widerlagers. Im Frühjahr 2004 folgte die Gestaltung der beiden östlichen Stützpfeiler mit insgesamt 36 Quadratmeter Fläche. In der Konzeptions- und Planungsphase erstellte Florian Stoetzler eine Reinzeichnung des endgültigen Entwurfs, auf deren Grundlage er einen Konstruktionsplan für die spätere Realisierungsphase anfertigte. Anhand extra erstellter Computersimulationen ließ sich die Dimension der auszuführenden Wandgestaltung vorstellen. Des Weiteren erleichterten Musterplatten in der Größe 120 x 40 Zentimeter in den Originalfarbtönen die Vorstellung von der Farbintensität der gewünschten Wandgestaltung.
Das sehr dynamische und künstlerische Motiv entwarf Florian Stoetzler mittels Konstruktionsprogramm am Computer, woraufhin Klebeschablonen am Großformat-Schneideplotter produziert wurden
Nachdem der Untergrund angeschliffen, gereinigt, abgelaugt und abgewaschen wurde, erfolgte eine Testbeschichtung mit Haftungsprobe. Anschließend begann der Auftrag von zwei Grundbeschichtungen (Caparol Tiefgrund TB, Disbocolor 493 mit Disbocolor 499 Verdünner). Das Motiv applizierte Florian Stoetzler mittels Maskierfolie und Klebeband anhand eines Rasters und lackierte die Flächen danach mit Autolack.
Abschließend brachte er die farblose Hochglanz-Versiegelung auf, damit die Gestaltung in Ihrer Wirkung noch mehr hervortritt und die Fassade gegen Umwelteinflüsse geschützt ist.
Besondere Schwierigkeiten bei der Applikation des geometrischen Motivs bereitete die Oberfläche des mit sägerauen Brettern geschalten Betons. Dessen Lunker wurden nicht abgeschlagen und verschliffen, um den handwerklichen Charakter des Baumaterials zu erhalten.
Entstanden ist eine außergewöhnliche grafische Gestaltung, die Aufmerksamkeit erregt und Inspiration für ähnliche Sanierungsprojekte gibt.