Schauspielkunst in respektvollem Rahmen
Staatstheater Darmstadt: Generalsanierung eines Solitärs
In den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts dachte man anders – und baute folglich anders. Auch in Darmstadt, wo 1972 ein kompakter Solitär als Ort für die Schauspielkünste eröffnet wurde. 30 Jahre später steht die Rundum-Sanierung an, die neue Technik ins Haus bringt und es wie nebenbei endlich an die Stadt anschließt.
Das Staatstheater Darmstadt, entworfen von Rudolf Prange, besteht aus horizontal geschichteten Baukörpern, wurde mit vorgehängten Marmorplatten und Alu-Profilblechen verkleidet oder blieb schlicht betonsichtig. Der Bau genügte sich selbst, nahm weder Bezug zur nahen Innenstadt noch zur benachbarten Grünanlage auf. Dafür ließ es sich dank einer großzügigen Tiefgarage mit geräumigen Vorfahrten im Untergeschoss bequem per Auto erreichen.
Spätestens Ende der 90er Jahre wurde jedoch klar, dass eine Sanierung nicht nur an der Zeit war, sondern extrem drängte. Brandschutz, Bühnen- und Haustechnik sowie die Ausstattung von Foyers und Sälen waren längst nicht mehr auf dem Stand der Technik. Nicht zu vergessen den Sichtbeton, den die Jahrzehnte sichtlich in Mitleidenschaft zogen.
Also lobte man einen Architektenwettbewerb aus, den das Stuttgarter Büro Lederer Ragnarsdóttir Oei für sich entscheiden konnte. 2002 starteten die Arbeiten, die bis zum Beginn der Spielzeit 2006/2007 abgeschlossen sein sollten und abschnittsweise so neben dem normalen Spielbetrieb liefen. Daraus leitete sich auch die Notwendigkeit einer Ersatzspielstätte ab – während die Theaterleitung an ein angemietetes Zelt dachte, mit allen Problemen bezüglich Akustik, Klima und Logistik, schlugen die Architekten eine zunächst skurril anmutende Lösung vor.
Wohl von der eigentümlichen, im wahrsten Sinne großspurigen Tiefgaragen-Anlage beeindruckt, deren vier Zufahrten von Beginn an überdimensioniert waren, widmeten die Planer einfach diesen Bereich um. Von den vier Spuren blieb eine, dafür befindet sich nun dort der Interimssaal einschließlich Foyer, Bar, neuem Mitarbeiter-Zugang und Pförtnerarbeitsplatz. Durch die Verwendung von einfachen Materialien wie Leichtbetonsteinen, Gussasphalt, Gipskartonplatten und Glasbausteinen sind die Kosten nicht höher als die Aufwendungen für ein Theaterzelt. Mit dem Unterschied, dass die 200 Plätze nach der Sanierung als Kammerspiele erhalten bleiben. Nebenbei erhält die Tiefgarage dank der von innen leuchtenden Glasbausteine eine hellere Grundstimmung.
Diesem Kunststück im Untergrund folgt eine weitere Glanzleistung über der Erde. Mit dem so genannten Eingangsbauwerk, das auch der behindertengerechten Erschließung aller Ebenen dient, öffnet sich das Staatstheater endlich zur Stadt hin. Geradezu programmatisch mutet der große Balkon an, der sich über den großen, golden schimmernden Eingangstüren ausbreitet und freie Sicht auf Darmstadt bietet. Auf der anderen Seite leitet der weiße Betonmonolith in das neue Interieur der Foyers und Garderobenbereiche über. Auch sie weiß, mit eigenwilligen Einbauten und verspielten, von den Decken abpendelnden Segelleuchten. Leichtigkeit ist hier Programm – sozusagen als Gegenentwurf zur äußeren Schwere des altgedienten Baukörpers. „Bei der Sanierung wurden sämtliche Flächen mit Caparol-Werkstoffen beschichtet: Wände und Decken mit den Dispersionsfarben Indeko-plus und Amphibolin; außerdem kamen hoch- und seidenglänzende Capalac-Produkte zum Einsatz", berichtet Caparol-Planer- und Objektberater Peter Weidmann.
Auch wenn nach dem Abschluss des letzten Sanierungsabschnitts mindestens 90 Prozent des Gesamtbudgets von 70 Millionen Euro in die technische Erneuerung geflossen sein werden – die wenigen verbleibenden Mittel haben die Architekten kongenial zu nutzen gewusst und das Staatstheater mit einem „Upgrade" nachhaltig aufgewertet. Ein Grund übrigens, das Projekt und die Planer auf der Architekturbiennale 2006 in Venedig dem internationalen Publikum zu präsentieren.